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Wenn der Tod wie Karneval gefeiert wird

Präsidentin der Europäischen Totentanz-Vereinigung nimmt Besucher im Haus der Evangelischen Kirche mit auf bisweilen makabre Reise durch die Kulturen

Landesmuseum MainzTotentanz: Tafelgemälde von Georg Kneipp (1793-1862).

Der Totentanz ist ein über Jahrtausende altes Phänomen, das weltweit zelebriert worden ist. Und es übt noch heute eine Faszination aus auf Menschen, die sich damit befassen. Das zeigte das große Interesse der Besucher eines Vortrags von Dr. Uli Wunderlich, der Präsidentin der Europäischen Totentanz-Vereinigung, im Haus der Evangelischen Kirche in Mainz. Dazu eingeladen hatte Reiner Baier, Pfarrer für Stadtkirchenarbeit im Evangelischen Dekanat Mainz.

„Vielleicht gehört ein bisschen Mut dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen“, sagte Pfarrer Baier eingangs. Schließlich habe man damit auch immer den eigenen Tod vor Augen. Wunderlich nahm die  rund 30 Besucher an einem kalten Novemberabend mit auf eine Zeit- und Weltreise in die makabren Sphären des Totentanzes.

Menschen feiern ausgelassen

Sie zeigte die Darstellung eines Begräbniszuges aus Ägypten aus der Zeit um 1250 vor Christus, auf der die Menschen ausgelassen feiern. „Da geht es zu wie heute beim brasilianischen Karneval“, schwärmte die Referentin. „Sie tanzen, singen, klappern.“ Der Tod macht ihnen Spaß.

Wunderlich führte in eine etruskische Grabkammer aus dem 4. bis 5. Jahrhundert vor Christus. Man sieht ein Totenbankett, das im Gedenken an einen Verstorbenen zelebriert wird. Eines der ältesten Zeugnisse von lebenden, musizierenden Skeletten findet sich auf der Darstellung eines 2100 Jahre alten Bechers aus Alexandria, wiederum also in Ägypten.

"Freue dich des Lebens!"

Die Skelette sangen: „Freue dich des Lebens!“ Noch heute ist „Gaudeamus igitur“ als Studentenlied bekannt, aber der Text sei nicht mehr makaber, sondern zahm geworden, erklärte die Expertin.

Über Darstellungen aus Tibet, Katalonien, Pisa oder auch Basel gelangte Wunderlich schließlich nach Mainz mit ihren Ausführungen. Im hiesigen Landesmuseum befindet sich ein Tafelgemälde des gebürtigen Mainzers Georg Kneipp (1793 – 1862).

Blasphemische Verse

Zu jedem Totentanz-Motiv gehören hier blasphemische Verse, insgesamt 80 Strophen plus Überschriften. Datiert ist das Kunstwerk auf das Jahr 1834. Der Maler Georg Kneipp – ein Katholik mit losem Mundwerk sei er gewesen – verweise in seinem Gemälde  nach Basel zu einem Totentanz auf der Friedhofsmauer des Barfüßerklosters 1568 im Stil von Hans Holbein. Was im Mittelalter entstanden war, nahm nun Einfälle der Renaissance auf, erläuterte Wunderlich.

Mainzer Domherren verspottet


Im Bistum Mainz war die Kritik an der katholischen Geistlichkeit in der vorreformatorischen Zeit heftig. Die Domherren wurden als eitle Würdenträger verspottet – gerne von Bösewichtern, Zockern und Säufern. Bischof Hatto I., gestorben im Jahr 913, soll im Binger Zollturm von Mäusen gefressen worden sein. Der Binger Mäuseturm trägt diese Geschichte noch heute in seinem Namen.

Uli Wunderlich hat viele solcher Geschichten gesammelt. Ein besonderes „Lob des Todes“ stammt aus Florenz im Jahr 1340: „Das Sterben ist ein schönes Fest“, heißt es in einem Text von Francesco Petrarca. „Man muss nicht mehr arbeiten, wenn man tot ist.“

Totentanz-Forschung seit den 1970ern

Die Europäische Totentanz-Vereinigung wurde in den 1970er-Jahren gegründet. Es gibt Gruppen in Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Italien und Skandinavien. Die deutsche Sektion wurde 1993 gegründet. Ziel ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie von Kunst und Gestaltung im Zusammenhang mit Totentänzen und verwandten Themen.

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